
Weniger Feuerwerk ist gesünder
Feinstaub-Emissionen befördern Covid-19-Erkrankungen.
Deutsche Umwelthilfe plädiert für neue, umweltfreundliche
Silvesterbräuche.
Ein Start ins neue Jahr ohne bunte Raketen und laute Böller ist
für viele Menschen unvorstellbar. Aus Umweltsicht ist ein
Verbot allerdings vernünftig.
Susanne Aigner, ND 24.12.2020
Der Verkauf von Feuerwerk soll in diesem Jahr bundesweit verboten werden.
Zwar sind das Mitführen von Feuerwerk und das Abfeuern auf öffentlichen
Straßen und Plätzen untersagt. In privaten Haushalten bleibt es jedoch erlaubt
– außer in Hamburg: Wer hier Raketen abfeuert, dem drohen Bußgelder. Diese
Regelungen könnten sich vorteilhaft auf die Umwelt auswirken. So fallen laut
Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Berlin, Hamburg, München, Köln
und Frankfurt am Main jedes Jahr rund 200 Tonnen Abfall aus
Feuerwerkskörpern an.
Auch für besonders hohe Feinstaubemissionen sind Silvesterknaller
verantwortlich. Berechnungen des Umweltbundesamtes zufolge werden jedes
Jahr bundesweit rund 2000 Tonnen Feinstaub emittiert, rund 75 Prozent davon
zum Jahreswechsel. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt einen
Tagesmittelgrenzwert bis 50 Mikrogramm pro Kubikmeter an nicht mehr als drei
Tagen im Jahr. An den Neujahrstagen wurden oft Stundenwerte von mehr als
1000 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen.
Bei der Knallerei entstehen neben Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid vielerlei
giftige, die Atemwege reizende Stoffe. Unlängst untersuchten
Geowissenschaftler der Universität Halle einen möglichen Zusammenhang von
Stickoxidbelastungen und steigenden Todesraten durch Covid-19. Dafür unter
die Lupe genommen wurden Orte in Italien, Spanien, Frankreich und
Deutschland, an denen die höchsten Stickstoffkonzentrationen auftraten und
ein ungünstiger Luftstrom eine Verteilung der Partikel verhinderte. Anhand von
Satellitendaten verglichen sie die Umweltfaktoren mit der Anzahl der
Sterbefälle: Überall, wo besonders viel Stickoxid gemessen wurde, forderte das
Virus auch mehr Todesopfer. Von insgesamt 4443 Todesfällen konzentrierten
sich fast 80 Prozent auf Norditalien und Zentralspanien. Die Ergebnisse deuten
darauf hin, dass die Schadstoffe in Zusammenhang mit Covid-19 weltweit für
den Tod von Menschen verantwortlich sein können. Auch in einer im Oktober
2020 veröffentlichten Studie des Max-Planck-Institutes wird ein deutlicher
Zusammenhang zwischen dem Feinstaub in der Luft und einem erhöhten
Sterberisiko im Falle einer Covid-19-Infektion nachgewiesen.
»Wenn Menschen verschmutzte Luft einatmen, wandern die sehr kleinen
Feinstaubpartikel von der Lunge ins Blut und in die Blutgefäße«, erklärt
Thomas Münzel vom Universitätsklinikum Mainz. Dort verursachen sie nicht nur
Entzündungen und starken oxidativen Stress, sondern schädigen auch die
innere Arterienschicht, was zur Verengung und Versteifung der Arterien führen
kann. Das Coronavirus gelangt über die Lunge in den Körper, wo es ähnliche
Schäden in den Blutgefäßen verursacht. Ist die Lunge durch
Luftverschmutzung vorgeschädigt, kann das Virus leichter eindringen – und
einen Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder einen Schlaganfall auslösen.
Besonders gefährdet sind Herzkranke, Menschen mit Atemwegserkrankungen
sowie Schwangere und Kinder.
15 Prozent der weltweiten Todesfälle durch Covid-19 könnten durch
Luftverschmutzung mitverursacht sein, schätzen Wissenschaftler. Allein in
Deutschland soll der Anteil bei 26 Prozent liegen. Auch deshalb fordert die
DUH für 2021 verschärfte Grenzwerte für Feinstaub-Emissionen.
Lärm und beißender Geruch von Raketen und Knallkörpern lösen zudem bei
vielen Tieren einen Fluchtreflex aus. So wurden nach Angaben des Vereins
Tasso Silvester und Neujahr 2018/19 mehr als 630 Tiere vermisst. Kühe und
Pferde rennen durch Weidezäune. Wildtiere, die im Winter mit ihrer Energie
besonders haushalten müssen, laufen blindlings über Straßen.
Auch Wildvögel werden mit der einsetzenden Knallerei aus ihrer Nachtruhe
aufgeschreckt. So beobachteten Wissenschaftler in den Silvesternächten 2008
und 2010 in den Niederlanden mittels Wetterradar die Flucht Tausender
irritierter Vögel: rund 650 Gänse, 2000 Enten und mehr als 9000 Kleinvögel
flogen in Höhen bis zu 500 Metern. Erst nach etwa 45 Minuten beruhigten sich
die Tiere, wobei sie nicht nur enorm viel Energie verbraucht, sondern auch
Schlaf und Zeit zum Ausruhen und Fressen eingebüßt hatten. Während der
Flucht hatte sich ihre Gesamtkondition deutlich verschlechtert.
Bereits im Juli 2019 hatte die Deutsche Umwelthilfe großflächige Verbotszonen
für Feuerwerke gefordert. In dem aktuellen Verkaufsverbot sieht DUHGeschäftsführer
Jürgen Resch nun eine Chance, Silvesterbräuche zu entwickeln, die weder Mensch, Tier noch Umwelt schädigen.